Sidelenhütte: Bildhauer Hans Gisler enthüllt seinen „Kletterer an Granitkante“
Ein Kunstwerk, dort, wo es niemand erwartet. Bei der Sidelenhütte, auf 2708 Metern über Meer, begegnet man einem «Kletterer» an einem Granitblock.
Inmitten hochalpiner Bergwelt, auf 2708 Metern über Meer, ist ein neues Kunstwerk zu bestaunen: Eine Holzskulptur klettert bei der Sidelenhütte an einer Granitkante empor. Geschaffen hat das Kunstwerk der Urner Holzbildhauer Hans Gisler. Im August des vergangenen Jahres konnte man ihn dort oben bei einem Schauschnitzen beobachten. Nun wurde das Kunstwerk am Samstag, 21. Juli, mit einem kleinen Apero offiziell enthüllt und übergeben. Ursprünglich wollte der Künstler die Skulptur «A dr Kantä» benennen. Denn die Skulptur aus Zedernholz «klettert» an einer Granitfelskante empor. «Zum Glück habe ich aber die Beschriftung noch nicht in Auftrag gegeben, denn inzwischen habe ich einen interessanten Hinweis erhalten, dem ich noch nachgehen will», sagt Hans Gisler. «Wenn dieser stimmt, würde ich die Skulptur dem leidenschaftlichen Kletterer und Wirt des Refuge Furka widmen. Er hat angeblich eine Kletterroute am nahen, grossen Kamel erstbestiegen.»
Transport mit dem Heli
Der Bildhauer, selbst passionierter Kletterer, hat seine Skulptur aus einem Zedernstamm gesägt. Kein leichtes Unterfangen, obwohl Hans Gisler den Stamm vor dem Transport mit dem Helikopter schon etwas bearbeitet hatte und so das Gewicht schon mal um rund einen Drittel reduzierte. Die weitere Bildhauerarbeit folgte dann mit der Kettensäge vor Ort beim Schauschnitzen. Zusammen mit dem 2,8 Meter langen und zirka 60 mal 60 Zentimeter dicken Granitblock verschmilzt die Holzskulptur zu einem Gesamtkunstwerk, die Einheit von Stein und Holz verleiht der Skulptur das Besondere. Wegen der grossen Schneelasten im Winter, die den «Kletterer» vom Granitblock reissen könnten, ist die Figur demontierbar. So kann sie in der Hütte einen sicheren Platz finden, bis das Frühjahr wieder angebrochen ist.
Eine etwas andere Art des kreativen Schaffens
Der «Kletterer» erforderte aber auch einen etwas anderen kreativen Weg beim Schaffen, als ihn der Bildhauer sonst einschlägt. Meistens passt Hans Gisler Form, Grösse und Ausarbeitung dem Baumstamm oder dem Ast an, den er eigens für ein Werk auswählt oder angeboten bekommt. «Für einmal aber gab mir der besagte Granitstein bei der Sidelenhütte vor, wie gross und auch welchen Durchmesser der passende Baumstamm haben soll», sagt Hans Gisler. Neben dem genauen Anpassen des Kletterers an die Granitnadel war auch das Aufstellen eine besondere Herausforderung. Dank tatkräftiger Mithilfe des Hüttenwarts Walter Gisler, von Vorstandsmitgliedern der Alpinen Sportschule Andermatt und weiteren Helfern konnte der zirka 1,8 Tonnen schwere Granitblock vertikal aufgestellt und genügend tief im Fundament verankert werden.
Bergwelt lieber als Galerie
Manch einer mag sich nun fragen: Warum wird ein so grosser Aufwand betrieben, um ein Kunstwerk an einem solchen Ort zu erschaffen, wo es eigentlich kaum jemand erwartet? «Wenn ich an die unvergesslichen und auch mit keinem Geld zu bezahlenden Eindrücke denke, ist mir klar, dass ich auch zukünftig lieber Kunst in der Natur schaffen möchte», entgegnet der Bildhauer Hans Gisler. «Denn in der Bergwelt fühle ich mich wohler als in einer Galerie in irgendeiner Stadt.»
Urner Wochenblatt, Samastag, 21. Juli 2018
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