Alpine Rettung: Hundefüher im Kanton Uri

Fünf Hundeführer gibt es noch im Kanton Uri und sie suchen Nachwuchs. Zwei von ihnen erzählen von ihrem «intensiven Hobby», ihrer Motivation und ihren Tieren.

«Esco» liegt in seinem Korb, die Beine weit von sich gestreckt. Ganz gemütlich, ganz ruhig. Sein Herrchen, der Hundeführer Bernhard Danioth, sitzt am Tisch daneben. Würde jetzt dessen Pager losgehen, wäre die Situation schlagartig anders. «Dann ist mein Hund sofort parat», sagt der Andermatter. «Er merkt auch gleich, wenn ich die Einsatzkleidung anziehe oder das Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS) einschalte.» Der elfjährige schwarze Labrador will arbeiten, seine Nase benutzen und damit Lawinen nach Verschütteten oder das Gelände nach Vermissten absuchen. «<Esco macht das einfach gern», erklärt Bernhard Danioth.
Der Andermatter ist einer von insgesamt fünf Hundeführern im Kanton Uri. Sie sind Fachspezialisten der Alpinen Rettung Schweiz (ARS) und gehören den SAC-Sektionen Gotthard oder Lucendro an. Im Winter suchen sie Lawinenfelder nach Verschütteten ab, im Sommer das Gelände nach Vermissten. Nicht nur im Urnerland sind sie bei dieser Arbeit unterwegs. Sie helfen auch in den angrenzenden Kantonen, wenn dort Hundeführer gebraucht werden.

Erstmals keine Pikettliste mehr
Doch es werden immer weniger Hundeführer – nicht nur im Kanton Uri. Und die Hundeführer werden immer älter. Der Nachwuchs fehlt. Zum ersten Mal gibt es diesen Winter keine fixe Pikettliste mehr im Kanton, erklärt Bernhard Danioth, der auch Hunde- verantwortlicher der Alpinen Rettung Zentralschweiz ist. 2004 waren es im Kanton Uri zehn einsatzfähige Lawinenhundeführer und zwei in der Ausbildung. Nun sind es nur noch fünf, von denen nur vier im Winter arbeiten. Sie sprechen sich mittlerweile untereinander ab, damit möglichst immer jemand da ist. Alarmiert werden die Retter über den Pager. Meldet sich daraufhin keiner aus dem Kanton Uri, werden Hundeführer aus angrenzenden Kantonen alarmiert, «Mit dem Helikopter ist man schnell am Einsatzort, egal ob aus Schwyz oder aus Ob- und Nidwalden», sagt Bernhard Danioth.
Warum fehlt der Nachwuchs? «Es ist schwierig, junge Leute zu motivieren, auch langfristig», erklärt Bemhard Danioth. Die jungen Leute müssen berg- und hundeaffin sein. Und dann muss auch noch das Umfeld passen: «Der Arbeitgeber muss diesen Nebenjob auch unterstützen und Abkömmlichkeit für Einsätze und Kurse akzeptieren.» Auch ob man den Hund zur Arbeit mitnehmen darf, ist eine Frage. Ein Interessent arbeitet mittlerweile mit seinem Hund und will nach dem Eintrittstest der Alpinen Rettung Schweiz (siehe Infokasten) beitreten.

Sinnvolle Tätigkeit mit dem Hund
Im vergangenen Jahr hat ausserdem ein erfahrener Hundeführer, Markus Lussmann aus Andermatt, wieder einen jungen Hund, einen nun sieben Monate alten Golden Retriever, in die Ausbildung genommen. «Ich kann einfach nicht ohne Hund», antwortet der 50-Jährige auf die Frage, warum er das macht. «Und ich möchte mit ihm auch etwas Sinnvolles machen», ergänzt er. Denselben Grund nennen auch Bemhard Danioth und Markus Wey, Berg- und Hundeführer in Andermatt. Sie sind seit über 20 respektive 30 Jahren im Einsatz. «Es ist ein intensives Hobby», sagt Letzterer. Aber für ihn ist klar: «Es braucht Menschen, die für andere einstehen.» Und, betont er: «Ohne eine gute Gruppe geht gar nichts Als Hundeführer ist man kein Einzelkämpfer, man hilft sich immer gegenseitig. Egal ob bei Einsätzen, bei Übungen oder bei der Ausbildung.»

Gegenseitiges Vertrauen
Apropos Ausbildung: Die Tiere werden von Beginn an erzogen. «Vor allem die Anfangsphase ist wichtig», sagt Markus Wey. Anlernen, festigen, anwenden – und das immer wieder. So lautet das Motto. Die Beziehung zum Hund ist dafür auch eine ganz spezielle. «Man erlebt sehr viele intensive Stunden mit dem Tier», meint Bernhard Danioth. Ganz wichtig sei das gegenseitige Vertrauen. «Ich vertraue <Esco> bei der Suche, dafür muss er mir vertrauen, wenn ich ihn beim Skifahren auf meinem Rucksack auf dem Rücken transportiere», erklärt der Andermatter.

Ein sicheres Suchmittel
Warum die Tiere trotz vieler technischer Mittel – Lawinenverschütteten- suchgerät, Handyortung, Wärmebildkamera – noch immer gebraucht werden, ist für Marcel Meier ganz klar: «Der Hund ist immer noch ein sicheres Suchmittel», so der Fachleiter Hund bei der ARS, der für die Ausbildung aller Schweizer Hundeführer zuständig ist. «Technik und Tiere stehen nicht miteinander in Konkurrenz. Man braucht beides.» Denn oft seien Menschen ohne Lawinenverschüttetensuchgerät unterwegs, oder sie bedienen die Technik nicht richtig. Bemhard Danioth erinnert sich an einen Einsatz in Realp, als ein Skifahrer, der sein LVS nicht eingeschaltet hatte, von einer Lawine verschüttet wurde. Die Bedingungen für die Retter waren schwierig, die Lawinensituation nach wie vor gefährlich, es dunkelte ein. Ein Lawinenhund fand den Mann schliesslich am Tag nach dem Lawinenabgang.

Helikopterftiegen und Gondel- fahren lernen
Auch im Sommer sind die Hundeführer mit ihren Tieren im Einsatz. Im Unterschied zum Winter sind dann die Einsatzgebiete grösser, die Einsätze dauern länger. Die Tiere müssen für diese Aufgabe einiges lernen: Allgemeine Werte wie Gehorsam und Konzentration auf die Arbeit, Suche auf dem Lawinenfeld allein und mit weiteren Hunden gehören dazu. Aber auch Gondelfahren, Skifahren und Helikopterfliegen. An Letzterem hat «Esco» übrigens besonders Gefallen gefunden. -Esco- gehorcht nie so gut, als dann, wenn der Helikopter im Anflug ist», sagt Bernhard Danioth und lacht.

Die Ausbildung der Hundeführer – Kurs am Gemsstock in Andermatt

Über ihr knattern die Rotorblätter des Helikopters. Ein Rettungssanitäter der Rega gibt Anweisungen. All das interessiert «Hope» nicht. Die Labrador-Hündin schaut interessiert zu, wie ihr Hundeführer, Rinaldo Rufibach, die Tür des Hubschraubers öffnet und aussteigt, dann hüpft sie ihm mit einem Satz hinterher. Als die Maschine sich wieder in die Luft erhebt und Schnee und Abwind alles in einen weissen, harten Nebel hüllen, steckt sie ihre Schnauze in Rinaldo Rufibachs Armbeuge.
Von Freitag bis Donnerstag, 20. bis 26. Januar, haben sich Hundeführer der Alpinen Rettung Schweiz zu einem Kurs am Gernsstock in Andermatt getroffen. Die 35 Hundeführer – 28 Teilnehmer, sechs Klassenlehrer und Leiter Marcel Meier – übten mit ihren Hunden unter anderem das Suchen auf den Lawinenfeldern, sie machten Übungseinsätze und probten Helikopterflüge.

Die Ausbildung eines Hundeführers geht über vier Module, danach folgen Weiterbildungsmodule. Ganz am Anfang steht ein Eintrittstest. Themen der Module sind unter anderem ARS und Rega, Medizin, Lawinen oder Einsatztaktik. Ein Beispiel: «Am Ende des ersten Kurses muss der Hund eine Person, die er nicht sieht, finden können», erklärt Marcel Meier. Nach dem zweiten Modul dagegen muss er schon zwei oder mehr Personen aufspüren. Wichtig zu lernen sei auch, Übersicht zu behalten und Ruhe zu bewahren. «Hektik überträgt sich sofort auf den Hund», sagt Marcel Meier. Von den Kursen profitieren auch erfahrene Hundeführer, sagt Markus Wey aus Andermatt: «Man kann in allen Sparten profitieren.» Man bekomme Tipps von anderen Hundeführern, die Hunde bewegen sich in neuem Gelände, unter neuen Artgenossen und lernen dabei ständig.
Nicht alle Hunderassen sind für die Arbeit als Lawinenhund geeignet. Sie müssen eine gewisse Körpergröshaben, dürfen nicht zu klein und nicht zu schwer sowie gut sozialisiert mit Artgenossen und Menschen sein. Und: «Die Tiere müssen auch einen gewissen Arbeitseifer haben», sagt Marcel Meier. Auch die Hundeführer respektive -führerinnen müssen Voraussetzungen erfüllen, unter anderem Mitglied einer Rettungsstation und aktive Tourenskifahrerin respektive -fahrer sein, sowie ein Interesse an Notfallmedizin und eine hohe Sozialkompetenz vorweisen. Schliesslich hängen von dieser besonderen Beziehung zwischen Mensch und Tier Leben ab. (ehi)

Weitere Informationen gibt es im Intemet www.alpinerettung.ch

Elisa Hipp

Urner Wochenblatt, Mittwoch 1 Februar 2017

Bild: zvg von Tanya Geisser, Dog-Fit Hundephysiotherapie, Engelberg