Skifahrer und Freerider sollen die ausgebaute Skiarena in Andermatt bevölkern. Den älteren Gästen will Tourismus- direktor Flurin Riedi vermehrt Kulturangebote unterbreiten.

Flurin Riedi, wie oft treffen Sie sich mit Samih Sawiris?
Immer mal wieder, sei dies bei einer Veranstaltung oder einer Besprechung. Er ist regelmässig in Andermatt anzutreffen. Sei dies im Hotel The Chedi oder im Dorf.

Sind Sie schon mit ihm per du?
Ja. Wir kennen uns schon länger, und da ist es normal, dass man sich duzt.

Sind Sie überzeugt, dass Sawiris das Resort wie geplant fertig bauen kann?
Ja absolut. Im letzten Jahr ist viel gegangen. Vier Appartementhäuser sind fertig und bewohnt, zwei weitere sind im Rohbau fertig, und in einem Haus erfolgen die letzten Innenausbau- Arbeiten. Das Hotel Radisson Blu sowie die «Gotthard Residences» stehen ebenfalls im Rohbau. Und weitere Gebäude sind in konkreter Planung.

Und wenn es wegen fehlender Appartementverkäufe nicht klappt?
Wir investieren viel in das touristische Angebot, wie etwa den Ausbau des Skigebiets. Schliesslich kommen die Gäste des Angebots und des Erlebnis- ses wegen. Stimmt das Angebot,
läuft in der Folge auch der Verkauf der Appartements.

Wie wird sich Andermatt verändern, wenn dereinst alle Appartements verkauft sind und genutzt werden?
Die Wertschöpfung wird in der Desti- nation durch die Zunahme der Logier- nächte und die höhere Auslastung gesteigert, was sich positiv auf die Entwicklung von Angeboten auswirkt. Dadurch wird die Destination an Attraktivität gewinnen und weiter wachsen. Auch nach der Gesamtrealisierung des Resorts wird Ander- matt seinen Charme behalten und ein Ort sein, wo jeder jeden kennt. Dazu tragen wir Sorge. Denn es ist auch für die Appartementeigentümer wichtig, dass sie sich in einem belebten Dorf bewegen und etwa das Kultur- und Gastronomieangebot geniessen können.

Passen denn reiche Wohnungsbesitzer zum beschaulichen Andermatt?
Die Art und Grösse der Wohnungen und damit auch die Preise sind sehr vielfältig. Damit sind die Wohnungen für eine breite Bevölkerungsschicht erschwinglich.

Ein Drittel der Käufer stammt aus Asien, dem arabischen Raum und Nordamerika. Besteht nicht die Gefahr von vielen «kalten Betten»?
Nein. Bereits werden zahlreiche Woh- nungen vermietet. Mit deren Aus- lastung sind wir zufrieden. Klar gibt es auch Eigentümer, die ihre Wohnung nicht vermieten möchten. Aber auch wenn Verwandte der Eigentümer mehrmals pro Jahr die Wohnung benutzen, wirkt sich dies positiv aus und generiert «warme Betten».

Die neue Skiarena Andermatt-Sedrun will zum grössten Skigebiet der Zentralschweiz werden. Schafft man nicht zu grosse Kapazitäten, die nicht voll ausgelastet werden können?
Nein, das Gegenteil ist der Fall. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir im Herzen der Schweiz sehr gut und in kurzer Zeit erreichbar sind. Zum Ein- zugsgebiet gehören die Zentralschweiz, der Grossraum Zürich, aber auch die Ostschweiz, da wir mit Sedrun und Disentis zusammenrücken. Aber auch vom Tessin und von Norditalien her ist Andermatt schnell erreichbar. Wir sind überzeugt, dass wir neben einem starken Tagestourismus und den zusätzlich geplanten Betten in der Destination die benötigten Skier Days erreichen werden. Mit der Skiarena bieten wir im Gebiet Nätschen-Gütsch- Oberalppass-Sedrun für die Alpin- Skifahrer und mit dem Gemsstock für Freerider zwei Top-Gebiete an.

Die Skiarena ist mehr auf junge sportliche Gäste ausgerichtet.Ist Andermatt künftig kein Ort mehr für ältere Feriengäste?
Doch doch. Die verbleibende Gemütlich- keit mit den Gastronomieangeboten oder die Spaziermöglichkeiten und der Sommerbetrieb der Bergbahnen sowie
der 18-Loch-Golfplatz sprechen auch ältere Gäste an. Wir streben nicht nur einen breiten Mix bezüglich der Gästeherkunft an, sondern auch bezüglich der Altersgruppen.

Oft interessieren sich ältere Gäste für kulturelle Angebote.
Kultur und Geschichte waren und sind in Andermatt ein wichtiges Thema. In den letzten fünf Jahren wurden diverse neue Angebote geschaffen. So entstanden etwa neue Musikveranstaltungen wie «Andermattlive!» oder das Klassik-Osterfestival, aber auch kleinere Anlässe wie das «Unplugged Ander- matt». Zurzeit werden zwei Kunst- ausstellungen gezeigt. Und im kommen- den Sommer nden die Freilichtspiele «Göschenen am Meer» statt.

Wie wollen Sie die Destination künftig noch weiter entwickeln?
Als Tourismusorganisation starten wir nun ins fünfte Jahr seit der Gründung der Andermatt-Urserntal Tourismus GmbH. Unsere Hauptziele sind das Destinationsmanagement, die Vermark- tung der Ferienregion Andermatt und die Entwicklung neuer Angebote – und dies im Kooperationsmodell. Wir haben die einmalige Chance, dass wir dies von Grund auf realisieren können. Wir arbeiten dazu unter anderem sehr eng mit der Andermatt Swiss Alps AG, der Skiarena Andermatt-Sedrun und der Matterhorn Gotthard Bahn zusammen. Aber auch auf politischer Ebene funktioniert die Zusammenarbeit gut.

Was ist bezüglich Produkten und Angebotsgestaltung konkret geplant?
Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir nebst dem Wintertourismus über einen starken Sommertourismus verfügen. Eine unserer USPs im Sommer sind die acht Alpenpässe in der Region. Dazu realisieren wir gemeinsam mit den Partnern diverse Angebote. Wichtig ist das Wanderangebot, unter anderem mit dem Vier-Quellen-Weg und den 16 Berg- hütten. Damit sprechen wir jüngere und auch ältere Gäste an. Weiter werden wir in den Bereich Radsport – Moun- tainbike und Rennrad – investieren und das Produkt «Golfregion Andermatt Swiss Alps» weiter entwickeln. Andermatt ist 2017 erstmals Etappenort des Swiss Bike Cups. Zusammen mit der Fabian Cancellara Challenge ergibt dies am 24. und 25. Juni das erste Bike-Festival Andermatt.

Wie sieht die Struktur der Hotellerie ausserhalb von Sawiris‘ Resort aus?
Die Hotellerie in Andermatt ist relativ kleinstrukturiert. Einzelne Hotels investieren regelmässig. Andere Eigentümer möchten den Betrieb aus Altersgründen oder wegen fehlender Investitionsmöglichkeiten verkaufen. Wir hoffen, dass die neuen Eigentümer wieder investieren werden. In den vergangenen fünf Jahren sind in Andermatt zwei Hotels verschwunden. Ein Betrieb wurde zu einem Restaurant mit Wohnungen umgebaut. Aus dem anderen wurden Personalwohnungen. Diese Entwicklung begrüssen wir natür- lich nicht, da Betten verloren gehen. Willkommene neue Betten brachte das Hotel Chedi und wird das sich im Bau be ndende Hotel Radisson Blu bringen.

Mit der NEAT wurde Göschenen vom Hauptstrang des ÖV abgeschnitten. Hat dieser Ort auf der touristischen Landkarte noch eine Chance?

Doch, ganz klar. Wichtig dabei ist aber, dass man sich auf bestimmte Nischensegmente spezialisiert. Göschenen hat innovative Leistungsträger und bietet mit dem Göscheneralptal und dem Produkt Wasserwelten ein einzigartiges Naturerlebnis. Zudem ist Göschenen ab Andermatt in wenigen Minuten mit der Matterhorn Gotthard Bahn oder dem Auto erreichbar.

Wie wollen Sie diese Nischen erfolgreich besetzen?
Sehr wichtig sind Angebote für Tages- und Aus ugstouris- ten, aber auch die klare Positionierung dieser Produkte. Die Gemeinden Göschenen, Wassen und Gurtnellen können mit attraktiven Angeboten auftrumpfen.

Und die wären?
Gurtnellen etwa verfügt über zwei Luft- seilbahnen zum Familien-Naherholungs- gebiet Arnisee. Dort gibt es diverse Wandermöglichkeiten. Die Luftseilbahn- genossenschaft Intschi-Arnisee ist ein innovativer Leistungsträger, mit dem wir intensiv zusammenarbeiten. Wir versuchen, Produkte zu entwickeln und zu vermarkten. Mit der Matterhorn Gott- hard Bahn erweitern wir die Erlebnis- card in Richtung Gurtnellen, damit im kommenden Sommer auch die Luftseil- bahn integriert ist.

Und in Wassen?
Mit dem Meiental auf dem Weg zum Sustenpass, dem weltbekannten «Chiläli vo Wassä» und den Kehrtunnels verfügt Wassen über mehrere USPs. Zusätzlich pro tiert Wassen dank dem direkten Autobahnanschluss insbeson- dere im Sommer von der Nord-Süd- Achse, welche nicht nur den nicht immer beliebten Verkehr, sondern auch viele Logiernächte bringt.