Beda Regli weiss um die Probleme der Kleinheit. Eine Fusion mit Andermatt steht für ihn ausser Frage. Die Zusammenarbeit hingegen will er nicht missen.
Eiskalter Wind bläst durch die Gassen. Das Trottoir ist mit matschigem Schnee bedeckt, das Kopfsteinpflaster schimmert durch. Vor einem Holzbaus warten ein paar Personen im Skidress. Ansonsten ist es ruhig im schmucken Dörflein mit den historischen Bauten, die unter Denkmalschutz stehen. Einige davon sind Gasthäuser. «Viele stehen leer», erklärt Beda Regli. Der frisch gewählte Gemeindepräsident von Hospental macht keinen Hehl daraus, dass die florierenden Zeiten des kleinen Urner Dorfs vergangen sind. «Ob es die Gemeinde in 20 Jahren noch gibt, kann niemand recht sagen», meint Regli.
Die Abwanderung ist ein erkanntes Problem. Für Junge bietet Hospental nur wenige Perspektiven: «Entweder geht man zur Bahn, zum Bund oder zum Kanton. Aber das sind nur wenige Stellen,» Viele würden deshalb woanders Arbeit suchen. Wenn die älteren Hospentaler sterben, funktionieren die Jungen die Gebäude oftmals zu Ferienwohnungen um. «Immer weniger Leute müssen die gesamte Infrastruktur in Gang halten und die Steuern zahlen», so die Folgen davon.
Fest steht aber: Vorderhand will Hos- pental eigenständig bleiben. Eine Ge- meindefusion kommt momentan nicht in Frage. An der offenen Dorfgemeinde wurde das Begehren deutlich abgelehnt. «So lange es geht, wollen wir eigen- ständig bleiben», betont der Gemeinde- Präsident.
Grosser Finanzposten fällt weg
Die Urschner Gemeinden arbeiten heute schon verschiedentlich zusam- men. So ist die Gemeindeverwaltung bereits nach Andermatt verlegt worden. Die Primarschule in Hospental wird noch in diesem Jahr definitiv schliessen. Ein Schulbus bringt die Kinder nach Andermatt. «Die Schule hat zwar Leben ins Dorf gebracht», gibt Regli zu. «Fi- nanziell fahren wir aber besser, wenn wir unsere Schüler nach Andermatt schicken können, obwohl dies natürlich auch nicht gratis ist. Obendrein müssen die Kinder dank des Schulbusses heute weniger weit laufen als früher,»
Auch Beda Regli hat die Oberstufe in Andermatt absolviert. Er erinnert sich: Beim Fussballspielen habe er immer darauf geachtet, dass er mit den Hos- pentalern eine Mannschaft bilden und so gegen die Andermatter gewinnen konnte. «Niemand gibt es offen zu. Aber es gibt immer Spannungen zwischen den beiden Dörfern.»
Wasserverbund geplant
Die beiden Rivalen raufen sich aber zusammen. So auch für das zurzeit grösste Projekt, das den Gemeinderat von Hospental in nächster Zeit stark in Anspruch nehmen wird: ein gemeinsamer Wasserverbund mit Andermatt. Leitungen und Reservoirs müssen erneuert werden, damit Frischwasser von Hospental nach Andermatt gelangen kann. Am gleichen Strick ziehen die Gemeinden auch mit der Andermatt- Urserntal Thurismus GmbH, welche sich um die Vermarktung des gesamten Tals kümmert. Die Firma brachte die ehemaligen Verkehrsvereine der einzelnen Gemeinden unter ein Dach. Doch was ist mit dem Sawiris-Effekt in Hospental? «Profitieren können bei uns vor allem die Gastrobetriebe. Denn einige Gäste vom Tourismusresort kommen auch mal nach Hospental», weiss Regli. Doch der neue Gemeindepräsident kennt auch negative Aspekte, welche das Resort mit sich bringt: «Früher konnte man für 20 Franken in Andermatt zu Mittag essen, heute muss man schon 30 Franken hin- blättern.»
«Wer zahlt, befiehlt»
Der Hospentaler drückt es diplomatisch aus: «Es ist nicht schlecht, dass etwas in der Region passiert.» Doch die grossen Bauprojekte in Andermatt hät- ten auch einen faden Beigeschmack: «Man merkt eben: Geld regiert die Welt, und wer zahlt, befiehlt.» Ein gewöhnlicher Bürger wäre anders behandelt worden als ein reicher Investor, ist er überzeugt. Mit Wehmut mussten die Hospentaler zudem hinnehmen, dass das Winterhorn nicht in die Skiarena integriert wurde und stillgelegt werden musste. „Das Witerhorn war eine Lebensader für unser Dorf“.
Hier ist die Welt noch in Ordnung
«Mein oberstes Ziel ist, dass wir den Frieden im Dorf behalten», sagt der 36-jährige Gemeindepräsident. Obwohl er die Kleinräumigkeit auch manchmal verachtet («Man kann nichts tun, ohne dass es alle wissen»), ist es doch das Familiäre, das ihn im Dorf hält. «Hier hilft man sich gegenseitig.» Hospental kenne keine Sozialfälle. «Wenn ich sehe, mit welchen Problemen sich die Städter rumschlagen müssen, bin ich froh, dass hier oben die Welt noch in Ordnung ist. In Hospental wisse man einfach, woran man sei. «Zwischen den Bürgern herrscht einfach ein gesundes Vertrauen» Deshalb hält sich Regli nach wie vor an seinen Aufkleber: „Meine Wahl: Hospental“
Neue Urner Zeitung, 19.Januar 2015
FLORIAN ARNOLD
Florian.arnold@urnerzeitung.ch
Das lässt ja nicht gerade viel Hoffnung aufkommen, klare Visionen fehlen, es ist eher gewisse Verbitterung zu verspüren anstatt Optimismus. Hingegen verbeisst er sich in die kleingeistige Rivalität zwischen Andermatt und Hospental.