Christine Bachmann/Gastro Journal —   Andermatt war, ist und bleibt anders – auch nach der Eröffnung des The Chedi. Wie es ist, als «normaler» Hotelbetrieb in Andermatt zu bestehen – ein Besuch im The River House. «Andermatt liebt man entweder oder eben nicht», bringt es die aus Andermatt stammende Gastgeberin Sarah Keller vom The River Boutique Hotel auf den Punkt. Seit 2006 führt sie gemeinsam mit ihrem Partner Kevin Obschlager den kleinen Hotelbetrieb mit 8 Zimmern und 19 Betten im Kern von Andermatt.

Es ist ruhig an diesem Vormittag, trotz Hochsaison, trotz The Chedi. Andermatt habe noch eine Durststrecke von etwa fünf bis zehn Jahren vor sich, bevor es wieder an die Erfolge als Ferien- und Kurort anknüpfen könne, sind beide überzeugt. «Die Schweiz ist durch ihre Gesetzgebung enorm träge und hier bei uns fehlen zudem Leute mit Visionen, Macher, die wirklich etwas an der heutigen Situation ändern möchten.» Die Zitrone eines einzelnen Geldgebers auszupressen, bringe den Ort nicht zum Florieren. Ernüchternde Aussagen, irgendwie – und doch, die beiden Quereinsteiger haben ihren Berufswechsel nie bereut. «Wir wussten, was auf uns zukommt. Wir kennen Andermatt, haben beide vorher schon im Gastgewerbe gearbeitet und Fachkurse besucht, um unser Wissen zu erweitern.» Der Beruf des Gastgebers sei vielseitig, gebe einem viel und es herrsche eine direkte Feedbackkultur.

Bis aus einer «Lotterbude» das Bijou The River House Boutique Hotel entstand, war aber einiges an Umbauarbeiten nötig. «Wir haben über eine Million Franken in das Haus investiert, vieles selber gemacht und geplant. » Engagierte Handwerker und Freunde hätten sie unterstützt. «In diesem Metier herrscht genau das kreative Umfeld, das wir uns allgemein für Andermatt wünschen würden. » Auch die Banken hätten mitgespielt, «unter anderem, da wir noch über einen Plan B verfügten: Stockwerkeigentum», erzählt Kevin. Glücklicherweise sei ihr Plan aber aufgegangen und heute gehört das The River House Hotel neben dem The Chedi zu den engagiertesten Betrieben in Andermatt. Gekauft haben Kevin und Sarah das Haus gemeinsam mit Sarahs Vater als einfache Gesellschaft, von welcher sie heute wiederum als GmbH den Hotelbetrieb gepachtet haben.

Ihren Jahresumsatz holen die beiden jungen Gastgeber an fünf Monaten herein: an vier Winter- und einem Sommermonat. «Unser Ziel ist es nach wie vor, das Sommergeschäft anzukurbeln, denn der Ort hat mehr zu bieten, als dass die Gäste von aussen wahrnehmen», betont Sarah. Das Problem auch hier: Es fehle an Marketing, kreativen Ideen der touristischen Organisationen und auch klaren Signalen der Andermatt Swiss Alps, in welche Richtung es gehen solle. Zudem sei im Dorf unterdessen wieder der Alltag eingekehrt sowie Ernüchterung. «Aber wir hoffen nach wie vor, dass sich die Zusammenarbeit im Dorf bessern wird. Wir haben noch nicht aufgegeben.»

Die Gäste, die das The River House Boutique Hotel frequentieren, stammen aus allen Altersschichten und Ländern, es sei «aber eine doch eher gehobenere Klientel, bedingt durch unsere Preise. Wir haben tendenziell die höchsten Preise auf dem Platz neben dem The Chedi.» Zum Hotelbetrieb gehört «Di Alt Apothek Bar & Restaurant» mit 60 Plätzen, in der auch der Whiskey-Club von Andermatt beheimatet ist. «Wir bieten 30 Sorten Whiskey, Degustationen und haben diverse Bands, die gelegentlich aufspielen. Das kommt sehr gut an, auch bei den Einheimischen», erzählt Kevin. Unterstützung erhalten die beiden Quereinsteiger im Winter von 10 Mitarbeitenden mit insgesamt 600 Stellenprozenten, und im Sommer von 7 mit 400 Stellenprozenten. «Die meisten sind Teilzeiter aus dem Dorf, denn für Vollzeitmitarbeitende sind wir einfach zu klein und zu saisonabhängig », erzählen die beiden. Einziger 100-Prozenter ist der Chefkoch, der die beiden seit Beginn begleitet und aus den Vereinigten Staaten stammt – Austin Rockeman.

Hilfreich, um in den ersten Jahren weiterzukommen, sei sicher auch der Hinzuzug eines Unternehmensberaters gewesen, der den Betrieb analysiert und Möglichkeiten aufgezeigt habe, an die sie selbst nie gedacht hätten. «Das sollte eigentlich jeder Hotelier mal tun. Eine Aussensicht bringt einen immer weiter.» Stetig weiterzukommen ist beiden ein Anliegen und das wünschen sie sich auch für den Standort Andermatt. «Der Vorteil hier ist sicher, dass sich in den nächsten Jahren noch einiges tun wird. Der Nachteil indes, es geht alles enorm langsam.» Die Eröffnung des The Chedi sei sicher ein erster Meilenstein, um das Bergdorf wieder auf die weltweite Landkarte zurückzubringen. Jetzt sei man sozusagen am «point of no return». Denn als man Andermatt damals zum Militärstandort gemacht habe, hätte man den falschen Weg eingeschlagen. «Nun bietet sich die einmalige Chance, Andermatt wieder als touristisches Resort zu etablieren. Das heisst aber ganz klar, dass wir alle an einem Strick ziehen müssen. Es braucht eine ehrliche Offenheit, um zusammen daran arbeiten zu können. » Nur so lasse sich das Ziel am Ende auch erreichen. «Es braucht zudem neue Gewerbebetriebe, am besten auch von Einheimischen im Dorf», sind Kevin und Sarah überzeugt.

www.theriverhouse.ch